Virtuelle Influencer:innen: Erfolg und Kontroversen der digitalen Stars
Virtuelle Influencer:innen erobern die Feeds der sozialen Netzwerke. Doch was steckt hinter diesem Phänomen und können Unternehmen ihre großen Versprechen halten?
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Authentizität, Ehrlichkeit und realistische Schönheitsideale. Werte, für deren vermeintliches Fehlen soziale Netzwerke immer wieder in der Kritik stehen. Ausgerechnet die mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) generierten, virtuellen Influencer:innen sollen nun dagegen ankämpfen und für mehr Authentizität auf den Social–Media-Plattformen sorgen. Hinter dem Phänomen stecken jedoch auch einige Problematiken und das Werbeinteresse großer Unternehmen. Wir haben für Sie einen Überblick zusammengestellt.
Was sind virtuelle Influencer:innen?
Nach der Definition des Dudens ist ein:e Influencer:in eine „Person, die in sozialen Netzwerken besonders bekannt, einflussreich ist und bestimmte Werbebotschaften, Auffassungen oder Ähnliches vermittelt“. Somit sind Influencer:innen also reale Personen, die durch ihren produzierten Content auf den Social-Media-Plattformen, Einfluss auf die Wahrnehmungen, Interessen oder Meinungen ihrer Follower:innen nehmen.
Virtuelle Influencer:innen hingegen sind mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Avatare, denen von Unternehmen und Agenturen ganze Persönlichkeiten, Beziehungen sowie Lebensgeschichten zugeschrieben werden. In den sozialen Netzwerken treten die computergestützten Figuren wie „echte“ Influencer:innen auf, produzieren ähnlichen themenspezifischen Content, posten Eindrücke aus ihrem „Leben“ und werben auch für Produkte von Unternehmen.
Einblicke in die Welt virtueller Influencer:innen
Das Bild zeigt den Instagram-Account der virtuellen Influencerin Lil Miquela, ihr Avatar ist dort seit 2016 aktiv und zählt mit fast drei Millionen Abonnent:innen zu den beliebtesten KI-Influencer:innen des Internets. Die dauerhaft 19-Jährige wirbt für große Modemarken wie Chanel und Versace, zeigt sich auf dem roten Teppich, ziert das Cover von Magazinen und hat mittlerweile sogar eigene Musik veröffentlicht. Schöpfer der virtuellen Influencerin ist das Technologie-Unternehmen Brud, das von Los Angeles aus die Social-Media-Beiträge sowie das Storytelling rundum die Figur Miquela konzipiert.
In der virtuellen Influencerin, einer deutschen Agentur, Noonoouri stecken Entwicklungskosten in sechsstelliger Höhe. Die Kunstfigur ist dabei bei derselben Modelagentur unter Vertrag wie Heidi Klum und Gigi Hadid, präsentiert die virtuellen Kollektionen von Luxusmarken und zeigt sich – rein virtuel – bei Events wie der MET-Gala.
Diversität im Netz durch KI?
Nach Angaben beider Agenturen, steckt hinter den Animationen die Idee „bessere Influencer:innen“ zu schaffen. So setzt sich Noonoouri beispielsweise neben ihrer Tätigkeit als Model für Veganismus ein und tritt als Aktivistin für Themen wie Nachhaltigkeit, Antidiskriminierung und Gleichstellung auf. Auch andere Unternehmen möchten mit ihren virtuellen Influencer:innen gesellschaftliche Themen ansprechen, Aufklärungsarbeit leisten oder für mehr Diversität sowie der Repräsentation von Minderheiten im Internet sorgen.
Der Avatar Kami gilt als erste virtuelle Influencerin mit Down-Syndrom und setzt sich für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft und in der digitalen Welt ein. Hinter dem Projekt stecken selbst Menschen mit Down-Syndrom, die mit Kami Einblicke in den Alltag von Menschen mit Trisomie 21 gewähren wollen, um so auf Probleme, Vorurteile und Missstände aufmerksam zu machen. Beim weiteren Eintauchen in die Welt virtueller Influencer:innen fällt jedoch trotz Versprechen schnell eines auf: mangelnde Vielfalt. Die Kunstfiguren sind allesamt jung, hübsch und im Erscheinungsbild makellos.
Kritiker:innen sind deshalb davon überzeugt, dass virtuelle Influencer:innen falsche Schönheitsideale noch weiter bestärken, denn nach einer Studie aus dem Jahr 2019, wussten rund 42 % der Befragten nicht einmal, wenn sie einer computergenerierten Person folgten. Vor allem computergestützte Beauty-Influencer:innen, wie das virtuelle Supermodell Shudu, sind daher stark umstritten, denn die KI altert nicht und kann sich im Trend liegenden Schönheitsidealen einfach anpassen. Problematisch ist auch, wenn virtuelle Figuren bei echten Menschen für den Kauf realer Produkte werben und das Unwissen ihrer Follower:innen ausnutzen, denn virtuelle Influencer:innen werden als Marketinginstrumente immer beliebter.
Virtuelle Influencer:innen als Werbeinstrument
Nach Angaben der internationalen Werbeagentur Ogilvy gab es 2015 lediglich neun virtuelle Influencer:innen. Im Jahr 2020, also nur fünf Jahre später, waren es über 200. Hinter den virtuellen Avataren stecken wie Miquela und Noonoouri zeigen, oftmals Agenturen oder Techunternehmen, mittlerweile aber auch große (Mode-)Marken selbst. Rein wirtschaftlich tragen hauseigene virtuelle Influencer:innen für große Unternehmen „viel weniger Risiken“ als echte Werbepartner:innen. Die KI benötigt keinen Vertrag, hat keine gesetzliche maximale Arbeitszeit, kann sich an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten und kann bis aufs kleinste Detail perfekt auf Unternehmen sowie Zielgruppe zugeschnitten werden. Kurzum, die virtuelle Figur vertritt ausschließlich und bedenkenlos Unternehmensinteressen und das ganz ohne kostspielige Werbeverträge.
Mit dem Wegfall menschlicher Arbeitszeiten geht jedoch auch der Wegfall menschlicher Moral einher, künstlich geschaffene Personen hinterfragen weden die Ethik eines Unternehmens, noch den Mehrwert eines Produktes. Virtuelle Influencer:innen werden damit zu beständigen und wandelbaren Werbeträgern eines Unternehmens, die auch bei Kooperationen zwischen Unternehmen und KI-Agenturen für eine kritische Stimme weniger sorgen.
Fazit
Das Konzept virtueller Influencer:innen, das eigentlich das Ziel verfolgt, mehr Diversität und Vielfalt in die sozialen Netzwerke zu bringen, wird heute eher als mächtiges Werbetool für Unternehmen verwendet. Besonders problematisch ist die Schwierigkeit für Social-Media-User:innen, eine KI-Figur als solche zu erkennen. Aus medienpädagogischer Sicht wäre es daher sinnvoll, den Content virtueller Influencer:innen als diesen zu kennzeichnen, um so für mehr Transparenz für alle Follower:innen zu sorgen.
Quellen
Bot or not? The Rise of CGI Influencers | Dorsey & Whitney LLP – JDSupra
grin.co/wp-content/uploads/2021/10/Fullscreen_CGI-Influencers_Bot-Or-Not.pdf
Noonoouri: Virtuelle Influencerin und Botschafterin im Metaverse (xplr-media.com)