11.12.22

Safety first: Elternkontrolle auf Social Media

Vertrauen ist gut, aber ist Kontrolle wirklich besser? Appblocker und Bildschirmzeit-Begrenzer. Immer mehr Apps und Tools ermöglichen es Eltern, das Handynutzungsverhalten ihrer Kinder zu kontrollieren, doch wie sinnvoll sind diese Softwares und wie sollen Eltern mit dem Social-Media-Verhalten ihrer Kinder umgehen?

 
Nadine Reip

Werkstudentin
Community

 

Jugendliche und Social Media

Elternkontrolle auf Social Media

Elternkontrolle auf Social Media

Instagram, TikTok, YouTube, BeReal, Snapchat, wenn es um soziale Medien und die Social-Media-Nutzung ihrer Kinder geht sind Eltern oftmals überfordert. Viele Eltern nutzen die Apps selbst nicht und sind entsprechend wenig mit deren Funktionen vertraut. Nach einer Studie des Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen besitzen 2021 etwa 94 % der 10-12-Jährigen ein eigenes Smartphone. Über 20 % der Altersgruppe gibt an bereits soziale Medien zu nutzen – und das ohne das Wissen ihrer Eltern-, denn offiziell freigegeben sind die meisten Apps erst ab 13 Jahren.

Auch andere Zahlen sind Grund zur Sorge. So wurden über die Hälfte aller 9-17-Jährigen im Internet unfreiwillig mit sexuellen Inhalten konfrontiert und bereits etwa jede:r sechste Opfer von Cybermobbing.

Es ist daher verständlich, dass vielen Eltern der Social-Media-Konsum ihrer Kinder sorgen bereitet. Doch wie können Eltern die Social-Media-Aktivitäten ihrer Kinder kontrollieren, ohne die Nutzung vollständig zu verbieten? Wir haben Ihnen einige Praxistipps zusammengestellt und auch die wichtigsten Kontroll-Funktionen der sozialen Medien überprüft:

 

Praxistipps

Natürlich gibt es keine Mustervorlage wie Eltern die Social-Media-Nutzung ihres Kindes regulieren sollen. Daher müssen Sie alle Tipps individuell an Ihr Kind und dessen Alter anpassen. Wichtig ist hier, dass Sie Maßnahmen etablieren, um Ihr Kind im Internet zu schützen und nicht, um es zu kontrollieren.

 

Machen Sie sich mit der Plattform vertraut

Um mehr Verständnis für das Social-Media-Nutzungsverhalten Ihrer Kinder zu erhalten, ist es ratsam, dass Sie sich mit den Plattformen vertraut machen, die Ihr Kind regelmäßig nutzt. Legen Sie sich ein eigenes Benutzerkonto an und erkunden Sie die App, die Social-Media-Plattform oder die Website doch einmal selbst. So lernen Sie nicht nur Funktionen und Zweck der Plattform kennen, sondern können vielleicht auch die Begeisterung Ihres Kindes besser nachvollziehen. Während Sie Ihre eigenen Erfahrungen sammeln, können Sie auch potenzielle Probleme besser erkennen und diese einschätzen.

 

Sprechen Sie offen über mögliche Probleme und Grenzen

Ehrliche Kommunikation ist sehr wichtig. Sprechen Sie daher offen mit Ihrem Kind über die Vor- und Nachteile von sozialen Medien. Worin könnten Gefahren bestehen, weiß ihr Kind davon? Erkundigen Sie sich, ob Ihrem Kind bereits problematische Inhalte begegnet sind und wie es damit umgegangen ist oder dies tun würde.

Bitten Sie Ihr Kind auch darum, Ihnen das eigene Social-Media-Profil zu zeigen und mit Ihnen die geposteten Inhalte zu besprechen. Klären Sie auch die Frage warum Ihr Kind welche Bilder postet und was es damit bezwecken möchte. Bleiben Sie hierbei stets offen und lassen Sie sich auf die Sichtweise Ihres Kindes ein. Besonders wichtig ist es auch über Tabus zu sprechen. Setzen Sie klare Grenzen und schreiben Sie fest welche Informationen und Bilder anonym bleiben sollten. Machen Sie Ihrem Kind auch verständlich, dass selbst gelöschte Inhalte nie vollständig aus dem Internet verschwinden und auch in der Zukunft zu Problemen werden können.

Die Privatsphäre Ihres Kindes sollte nicht nur in den veröffentlichten Bildern gewahrt werden. Auch für die Privatchats gibt es klare Regeln. Sprechen Sie offen mit Ihrem Kind darüber, warum es keine persönlichen Informationen an Fremde weiterleiten soll und worin die möglichen Konsequenzen und Gefahren bei scheinbar harmlosen Chats oder Bilder liegen.

Ermutigen Sie Ihr Kind dazu sich in problematischen Situationen an Sie zu wenden und auch auf anzügliche Nachrichten oder auf Bitten, um intime Informationen und Fotos nicht zu antworten und sich stattdessen an Sie zu wenden.

 

Nutzungsregeln einführen

Um die Sicherheit Ihres Kindes in den sozialen Netzwerken zu gewährleisten, eignen sich auch einige Kontrollmaßnahmen und Regeln. Sprechen Sie hier mit Ihrem Kind warum diese notwendig sind und unter welchen Bedingungen diese gelten.

Stellen Sie zunächst den Account Ihres Kindes auf privat, sodass nur die eigenen Follower:innen veröffentlichte Inhalte einsehen können. Bitten Sie nun Ihr Kind darum nur noch Freunde oder Familienmitglieder als Abonnent:innen anzunehmen. Wenn Sie sich weitere  Einblicke in die Social-Media-Aktivitäten Ihres Kindes wünschen, können Sie sich ein eigenes Konto anlegen und Ihrem Kind folgen. Alternativ können Sie auch das Passwort erfragen und so das Profil, inklusive Suchhistorie und Privatchats, in regelmäßigen Abständen überprüfen. Bei Teenagern ist es jedoch wichtig nicht zu weit in die Privatsphäre einzugreifen und ihnen einen notwendigen Freiraum zu lassen. Lassen Sie sich hier lieber als Follower:in hinzufügen.

Möglich ist es auch, dass sie die räumliche und zeitliche Nutzung regulieren.  Sie können Ihrem Kind beispielsweise erlauben das Handy nur im Wohnzimmer zu nutzen oder zu bestimmten Tageszeiten. Setzen Sie sich hier auch eigene Grenzen. Mit welchen Maßnahmen wird Ihr Kind geschützt, welche gleichen eher einer „Überwachung“?

Um jungen User:innen das Sammeln erster Erfahrungen in der Social-Media-Welt in einem geschützten Raum zu ermöglichen, haben die sozialen Netzwerke mittlerweile eigene Kontrollfunktionen für Eltern etabliert. Wir haben die verschiedenen Elternkontrollen für Sie getestet und miteinander verglichen.

 

Elternaufsicht auf Instagram

Das offizielle Mindestalter bei Instagram liegt bei 13 Jahren. Um mehr Kontrolle über das Instagram-Nutzungsverhalten von Kindern zu erhalten, ermöglicht die App seit Juni 2022 eine sogenannte Elternaufsicht. Instagram setzt derweilen auf eine Mischung aus Kontrolle und Kooperation. Mit der Funktion ist es Ihnen möglich Ihren Kindern ein tägliches Zeitlimit für die App zu setzten, auch Pausenzeiten können Sie festlegen. Neben einer Regulierung der zeitlichen Nutzung erhalten Sie auch Einblick in die gemeldeten Inhalte sowie Accounts Ihrer Kinder und erhalten Einsicht in die Follower:innen der Heranwachsenden. Zusätzlich informiert Sie Instagram wöchentlich über neue Aktivitäten Ihrer Kinder und benachrichtigt Sie bei neuen Follower:innen.

Eine effektive Kontrollfunktion ist die neue Elternaufsicht jedoch nicht. Um Einblicke in die Konten ihrer Kinder zu erhalten, müssen Eltern einige Hürden auf sich nehmen und erhalten selbst danach einen stark eingeschränkten Zugriff.

Um die Funktion zu aktivieren, müssen die jungen User:innen ihre Eltern selbst dazu einladen oder Anfragen ihrer Eltern eigenständig annehmen. Dies ist nur dann möglich, wenn Sie über ein eigenes Instagram-Profil verfügen. Auch nach der Einstufung eines Accounts als Kinderkonto, bleibt Ihre Profileinsicht sehr eingeschränkt. Sie erhalten weder Einblicke in die Privatchats noch die Suchhistorie Ihrer Kinder. Bei privaten Accounts bleibt den Eltern außerdem der ganze Social-Media-Feed ihrer Kinder verwehrt. Die größte Lücke der Kontrollfunktion: Die Einsicht kann jeder Zeit beidseitig beendet werden. Sie können hier nicht verhindern, dass Ihr Kind die Aufsichtserlaubnis selbstständig deaktiviert.

Mit dem 18 Geburtstag endet die Funktion automatisch, da Nutzer:innen bei Instagram ihr Geburtsdatum willkürlich eingeben können, bleibt auch das problematisch.

 

Elternkontrolle auf TikTok

Mit kurzen Videoclips und synchronisierten Musikvideos spricht TikTok vor allem junge Teenager an und bietet ihnen einen Raum zur Selbstdarstellung und freien Entfaltung. Bei älteren Generationen hingegen ist das Videoportal für gefährliche Challenges sowie seine stark personalisierte  Feeds („For You Pages“) bekannt. Diese schaffen es wie bei keiner zweite App Nutzer:innen an sich zu binden und lange Nutzungszeiten zu erzielen. Dem möchte die App jetzt mit einigen Kontrollfunktionen gegensteuern und Eltern mehr Kontrolle über den TikTok-Konsum ihrer Kinder ermöglichen.

Für User:innen zwischen 13-16 Jahren hat die App in den vergangenen Jahren bereits einige grundlegende Features verändert. So erhalten diese nach der Anmeldung standardgemäß ein privates Profil, das keine Direktnachrichten empfangen kann. Zusätzlich können die Jugendlichen weder mit eigenen Videos auf die anderer User:innen antworten (Duett-Funktion), noch Teile ihrer Videos zur Kopie und Weiterverwendung an andere bereitstellen (Stitch-Funktion). Weitere Eingriffe bietet der Begleiter-Modus, dieser ermöglicht ähnliche Regulierungen und Funktionen wie die Elternkontrolle auf Instagram.

Sie finden den Begleiter-Modus auf dem Gerät des Kindes, unter dem Stichwort „Digital Wellbeing“, innerhalb des Reiters Privatsphäre & Einstellungen. Erst wenn Sie den generierten QR-Code abscannen, ist die Funktion aktiviert. Achtung, hierfür benötigen Sie einen eigenen TikTok-Account.

Im Begleiter-Modus erhalten Sie dann Informationen zur TikTok-Nutzung Ihres Kindes und können entsprechende Zeitlimits setzen. Neben Einblicke in die Nutzungsdauer und -Uhrzeit erhalten Sie ebenfalls Zugriff auf die Kommentar- und Likefunktion Ihrer Kinder. So können Sie etwa einstellen wer unter den Postings Ihres Kindes kommentieren darf und einsehen welche Videos Ihr Kind liket.

Darüber hinaus ermöglicht die Kontrollfunktion eine Beschränkung der Suchfunktion. Optional kann dem Kinderprofil die Suche nach Accounts, Hashtags und Trendingsounds vollständig verwehrt werden. Auch der Feed Ihrer Kinder ist nun für Sie freigegeben. Damit können Sie nicht nur feststellen welche Inhalte Ihrem Kind vorgeschlagen werden, sondern diese auch individuell regulieren und sogar einzelne Videos verbergen. Trotz den erweiterten Funktionen wirkt der Begleiter-Modus auf TikTok jedoch genauso lückenhaft wie die Elternaufsicht auf Instagram.

Die Algorithmen, die ungeeignete Inhalte filtern sollen, arbeiten eher weniger zuverlässig. Auch die Einsicht in die tatsächlich konsumierten Inhalte Ihrer Kinder bleibt Ihnen weiterhin verwehrt. Versendete Kommentare und Direktnachrichten des Kinderaccounts können – ähnlich wie bei Instagram – ebenfalls nicht von Ihnen eingesehen werden. Das größte Problem der Elternkontrolle bleibt auch hier bestehen. Mit 16 Jahren enden die Kontrollfunktionen automatisch, das Alter kann von Ihrem Kind jedoch willkürlich ausgewählt und anschließend nicht mehr zurückgestellt werden. Damit können die Jugendlichen nicht nur der Begleiter-Modus selbstständig beenden, sondern auch die Grundeinschränkungen, die der Social-Media-Dienst automatisch für jungen User:innen festgelegt hat.

Da sich die internen Kontrollfunktionen der Social-Media-Apps als lückenhaft erweisen, bieten einige externe Apps Eltern weitreichendere Einblicke in die Handy-Aktivitäten ihrer Kinder.

 

Kontroll- Tools

Umfangreiche Kontroll-Apps wie FemiSafe oder NortonlifeLock haben sich schon längst etabliert. Sie gewähren Eltern nicht nur Einblicke in die Social-Media-Aktivitäten ihrer Kinder, sondern ermöglichen es in kostenpflichtigen Premiumversionen die gesamte Handynutzung zu überprüfen und zu regulieren. In den Einstellungen regulieren die Eltern selbst den Umfang ihrer Einsicht- und Kontrollmöglichkeiten, diese können jeder Zeit geändert werden.

Die App informiert Sie unteranderem über die Social-Media-Nutzung Ihrer Kinder. Hierbei erhalten Sie Einblicke in die Nutzungsdauer und -Uhrzeit und können auf Basis dieser Informationen den Nutzungsspielraum des Kindes individuell festlegen. Einzelne Apps können von Ihnen vollständig gesperrt oder mit Zeitlimits belegt werden und auch für die allgemeine Handyzeit können Sie ein Zeitlimit festsetzen. Darüber hinaus erhalten Eltern eine Liste mit allen registrierten Apps ihrer Kinder und welches Alter im Benutzerkonto festgelegt wurde. Mit wenigen Klicks können Sie so ganze Zugriffe sperren.

Neben der Kontrolle der Social-Media-Accounts gewähren Ihnen die Tools auch Einblicke in den Browserverlauf des Kindes. Auch über den Echtzeit-Standort können die Kontroll-Apps Sie dauerhaft informieren. Stellen Sie jedoch bei jeder Maßnahme sicher, dass es sich noch um den Schutz des Kindes handelt und nicht um die permanente „Überwachen“ aller Aktivitäten.

 

Fazit

In einem digitalen Zeitalter sollten Kinder definitiv nicht von einem Social-Media-Konsum abgehalten werden. Jedoch ist es wichtig einen sicheren Raum zu schaffen, in dem Kinder ihre Erfahrungen in notwendiger Freiheit und Selbständigkeit sammeln können, gleichzeitig aber vor potenziellen Gefahren geschützt werden. Da die Social-Media-Anbieter dieser Verantwortung nach wie vor nur lückenhaft nachkommen, ist hier auch die Kontrolle durch die Eltern gefragt.

Wie Sie diese genau gestalten ist natürlich von der individuellen Social-Media-Nutzung Ihres Kindes abhängig. Hilfreich ist hier, dass Sie sich zunächst selbst mit den Plattformen vertraut machen, offen mit Ihrem Kind über deren Social-Media-Aktivitäten reden und sich auch als Gesprächpartner:in für mögliche Probleme anbieten. Einige Tools und Apps helfen Ihnen zwar dabei weitreichende Einblicke in die Handynutzung Ihres Kindes zu erhalten, wichtig ist aber auch, dass Sie Ihrem Kind genügend Freiraum lassen und sich den negativen Konsequenzen von zu viel Kontrolle bewusst sind.

Machen Sie sich und Ihrem Kind die positiven sowie negativen Seiten sozialer Netzwerke bewusst und erarbeiten gemeinsam an sinnvollen Nutzungsregeln.

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