Hate Speech in sozialen Netzwerken: Wie reagieren?
Diskriminierung und Beleidigungen kommen leider nicht selten vor im Social Media Universum. Doch wie verhält man sich, wenn man persönlich im Netz angegriffen wird oder in der sozialen Gruppe Hass verbreitet wird?
Hans-Ulrich Probst, Referent für die Themen Populismus und Extremismus, hat sich mit dem Thema Hate Speech ausführlich auseinandergesetzt. Was ist Hate Speech, wie geht man damit um und wo findet man Hilfe?
pixbay
Zum Autor:
Hans-Ulrich Probst – Referent für die Themen Populismus und Extremismus
Wie damit umgehen, wenn politischer Populismus oder gar Extremismus in der eigenen (Kirchen-)Gemeinde erstarken? Was sind kirchliche Argumente für eine plurale Demokratie? Welche Rolle kann der Kirche zukommen, um Hass, Antisemitismus oder Rassismus in der Gesellschaft entgegenzuwirken? Der Refernt für die Themen Populismus und Extremismus bei der landeskirchlichen Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen geht solchen Fragen nach, informiert, berät und vermittelt.
Kontakt: www.populismus-extremismus-elkwue.de
Was ist Hate Speech?
Das Wort Hate Speech kommt aus dem Englischen und heißt „Hassrede“. Hate Speech drückt sich in der Regel durch menschenverachtende und abwertende Kommentare aus, die sich gegen Einzelne, Gruppen oder Organisationen wenden können. Dies greift die Würde des Menschen an und ist Ausdruck von sprachlicher Gewalt. Häufig werden durch Hate Speech Menschen adressiert, die bereits gesellschaftliche Benachteiligung oder Diskriminierung erfahren.
Wo kommt Hate Speech vor?
Hate Speech findet sich nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern kann in allen Bereichen des Miteinanders vorkommen. Der Begriff Hate Speech wird jedoch zumeist für die Verbreitung von Hass und Menschenverachtung im Internet verwendet. Ob in Kommentarspalten, in sozialen Netzwerken oder in Nachrichtendiensten (Messengern): Hate Speech findet in allen Bereichen der digitalen Kommunikation statt. Hate Speech wird dabei oft bewusst als Strategie eingesetzt, um Empörung zu stiften und Diskussionen zu verunmöglichen. Das Prinzip des Diskurses, wonach Argumente ausgetauscht und abgewogen werden, wird willentlich zerstört.
Auch Kirchengemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer bzw. andere kirchliche Mitarbeitende und Einrichtungen sind in der Vergangenheit Opfer von Hate Speech geworden. Ihr Engagement etwa für Geflüchtete, für den interreligiösen Dialog oder ihre Arbeit gegen Rassismus waren Ausgangspunkt für digital kommunizierte Anfeindungen und Hass gegen sie.
Zusammenhang von Hate Speech und Fake-News
Fake-News sind bewusst falsch eingesetzte Informationen, die sich u.a. über soziale Netzwerke rasend schnell verbreiten können. Sie sehen oft wie echte Nachrichten aus und lösen einen Sturm der Entrüstung und des Hate Speech aus. Häufig handeln solche falschen Nachrichten von Themen wie Einwanderung, Asyl oder Kriminalität. Fake-News bauen auf bestehenden Vorurteilen auf und verstärken die Abwertung von Menschen. Daher sind bewusst gestreute Falschnachrichten Gift für den gesellschaftlichen Frieden. Lügen werden gezielt gestreut, um Hass und Angst zu schüren.
Wie mit Hate Speech umgehen?
Mit Hate Speech soll eine offene und ehrliche Debatte verunmöglicht werden. Dennoch ist es nicht immer sinnvoll, darauf zu reagieren. Es ergeben sich dabei unterschiedliche Möglichkeiten, je nachdem, auf welcher Seite sich Hate Speech findet.
Auf der eigenen Seite
- Im jeweiligen Netzwerk melden: In allen sozialen Netzwerken können Beiträge und Profile an die Netzwerkbetreiber gemeldet werden.
- Blocken: Auch können in fast allen Sozialen Kanälen Autor:innen von Hate Speech im eigenen Profil geblockt werden.
- Löschen: Hasskommentare unter eigenen Beiträgen können gelöscht werden.
Die Moderation und Pflege verlangen personelle und zeitliche Ressourcen, die in Situationen der Empörung und Anfeindung stark gefordert sind. Hate Speech kommt jedoch erheblich seltener vor, wenn auf Seiten Kommentare moderiert oder gelöscht werden. Wenn Sie auf ihrer eigenen Seite keinen Raum für Anfeindungen oder Hass zulassen geben die meisten schnell auf.
Netiquette:
Diesen Raum können sie bereits vorab durch die Einstellung von klaren und transparenten Regeln definieren. Zum Beispiel durch die Erstellung einer Netiquette, also einer Auflistung von Regeln, wie auf der eigenen Seite miteinander kommuniziert wird: Wir akzeptieren keinen Hate Speech. Machen Sie bewusst von Ihrem „Hausrecht“ auf der eigenen Seite Gebrauch. Beispiel: Medienkompass-Nettiquette
Auf anderen Seiten
- Administratoren einschalten: Geschieht Hate Speech auf einer öffentlichen Profil-Seite einer anderen Organisation, ist es wichtig, die Administratoren auf die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit der Moderation hinzuweisen.
- Haltung zeigen und in die Diskussion einzutreten: Wenn Hate Speech nicht auf der eigenen Seite geschieht, lohnt es sich durchaus, Haltung zu zeigen und in die Diskussion einzutreten – insbesondere, wenn Personen aus dem eigenen sozialen Umfeld sich hieran beteiligen.
- Persönliches Gespräch: Meist sind jedoch der Kontakt und Austausch durch ein direktes Gespräch sinnvoller.
Bevor Sie sich in eine Diskussion einlassen, hilft aber auch ein kurzer Blick auf das Profil des Gegenübers: mit Personen, die offen rassistische, antisemitische oder menschenfeindliche Beiträge posten, lohnt i.d.R. die zeitintensive Diskussion über soziale Netzwerke nicht. Auch auf Websites, auf denen Menschenverachtung regelmäßig platziert wird, ist es nicht sinnvoll, sich in Diskussionen zu begeben.
Wie kann ich mich selbst schützen?
- Hilfe suchen: Lassen Sie sich unterstützen und beraten. Melden Sie sich bei den Ansprechpersonen innerhalb der Landeskirche und machen auf Hate Speech-Vorfälle gegen Sie aufmerksam.
- Persönliche Informationen überprüfen: Weiter ist es wichtig, auf die eigene Sicherheit auch in sozialen Netzwerken zu achten. Jeder und jede sollte überprüfen, welche Informationen über die eigene Person und Ihre Angehörigen öffentlich zugänglich sind.
- Nicht zu sehr an sich heranlassen: Selbstschutz heißt auch, dass Sie die Welle an Hate Speech-Kommentaren über die eigene Person oder Kirchengemeinde (insbesondere auf einschlägigen Seiten, die Fake News und Hass verbreiten) nicht lesen und an sich heranlassen. Die Anfeindungen können so drastisch formuliert sein, dass der Umgang mit ihnen nur schwer verkraftbar ist. Lesen Sie ggf. Hate Speech-Beiträge und Kommentare gemeinsam mit einer Vertrauensperson.
- Seiten deabonnieren: Kommentare und Beiträge auf Seiten, von denen Fake News lanciert werden und Hate Speech ausgeht, sind wohl weniger sinnvoll. Sie befeuern nicht nur eine Negativspirale der Anfeindungen und des Hasses, sondern können massive Formen des Hate Speech gegen die eigene Person erzeugen.
- Hate Speech anzeigen: Hate Speech kann bei der Polizei (bei der örtlichen Internet-Wache) angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden. Eine Meldung von Beiträgen ist zum Beispiel auf der Seite hassmelden.de möglich.
Beratungsstelle der evangelischen Landeskirche in Württemberg
Die Angriffe gegen kirchliche Mitarbeitende sind unter allen Umständen ernst zu nehmen und dürfen nicht bagatellisiert werden. Auch müssen wir uns darüber bewusst sein, dass Hate Speech gegen kirchliche Mitarbeitende eher eine Projektionsfläche für Angriffe gegen andere Gruppen (Geflüchtete, Muslime, Sinti und Roma…) ist . Insbesondere diese Personengruppen brauchen Solidarität.
Wir unterstützen Sie bei der Einordnung und den Überlegungen, wie man auf Hate Speech zu reagieren kann. Für Beratungen und Nachfragen stehen wir Ihnen in der Evangelischen Landeskirche zur Verfügung.
Kontakt: Hans-Ulrich Probst, Referent für die Themen Populismus und Extremismus (Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen)
hans-ulrich.probst@elk-wue.de Tel: 0711 229363-450
Bündnisse und Solidaritäten
Ich bin hier!
Es gibt nicht nur Hate Speech in sozialen Netzwerken. Beispielsweise kann eine Meldung eines Hate Speech-Vorfall an die Gruppe „Ich bin hier!“, die sich für Entgegnungen (sog. Counter Speech) von Hate Speech und Rassismus im Netz (insbesondere bei Facebook) engagiert, sinnvoll sein: In der Facebook-Gruppe von „Ich bin hier!“ sind etwa 40.000 Mitglieder, die sich in online-Diskussionen, die von Hass geprägt sind, mäßigend und solidarisch einbringen. https://www.ichbinhier.eu/ichbinhier-e-v
Die Arbeit von „Ich bin hier!“ kann aber auch im Kolleginnen/ Kollegen-Kreis geschehen: Informieren Sie Personen, die Sie in digital geführten Debatten unterstützen.
hateaid.org
HateAid bietet Betroffenen digitaler Gewalt ein kostenloses Beratungsangebot und Prozesskostenfinanzierung. Menschen, die online Hass und Hetze erleben, die beleidigt, verleumdet oder bedroht werden, können sich an hateaid.org wenden.
An die Öffentlichkeit gehen
In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, an die lokalen Medien vor Ort heranzutreten und über Hate Speech in sozialen Netzwerken zu berichten. Dies kann die direkt ausgesprochene Unterstützung vor Ort befördern. Es tut gut, wenn Menschen im face-to-face Austausch Ihnen den Rücken stärken. In sozialen Netzwerken entsteht häufig der Eindruck: Hate Speech geht von der Mehrheit der Menschen aus. Die Realität sieht glücklicherweise anders aus – das auch konkret zu erfahren, tut gut.
Der Weg in die Öffentlichkeit vor Ort ist jedoch nicht immer gleich sinnvoll: bleibt Hate Speech in sozialen Netzwerken in einem überschaubaren Rahmen, sollte ihnen auch nicht zu viel öffentlicher Aufmerksamkeit geschenkt werden. Berichten Sie in Ihren Gremien (bspw. im Kirchengemeinderat) von Hate Speech und beziehen Sie diese bei der Suche nach einem strategisch sinnvollen Umgang mit ein.
Fortbildungsmöglichkeiten und Links
Medienpädagogik ist zentral für den Umgang mit Hate Speech in den sozialen Netzwerken. Hierzu gibt es zahlreiche Fortbildungsangebote und Bausteine für Workshops, die selbst durchgeführt werden können. Sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene ist die Durchführung von Fortbildungen/ Workshops in diesem Bereich sinnvoll und wichtig.
Es ist beispielsweise hilfreich und sinnvoll, in Gruppensituationen darüber ins Gespräch zu kommen, wie sich die eigene Haltung durch Hate Speech geändert hat; oder sich darüber auszutauschen, ob Menschen in sozialen Netzwerken durch Diskussionen besänftigt werden können.
Weitere Informationen und Möglichkeiten zur Fortbildung finden sich hier:
- Seminare und Fortbildungen im Evangelischen Medienhaus
- No Hate Speech.de – Projekt der neuen Medienmacher:innen
- Verhasste Vielfalt: Eine Analyse von Hate Speech im Raum von Kirche und Diakonie mit Kommentierungen (2017)
- Knappe Informationen zu Hate Speech – Amadeu Antonio Stiftung Berlin
- Fachstelle Extremismusdistanzierung (FEX), Demokratiezentrum Baden-Württemberg
- Die JIMplus-Studie 2022 zum Thema Fake News und Hate Speech
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