Gebärdensprachen: Gehörlos, aber nicht sprachlos

Dass Gebärdensprache als Kommunikationsform von Gehörlosen gilt, ist vielen bekannt. Doch wie wird diese ausgeführt und wie kann ich als Sprecher*in der Lautsprache mit Gehörlosen in Kontakt treten? Wir haben für Sie die wichtigsten Informationen zusammengestellt und Apps zum Lernen der Gebärdensprache getestet.  

Gebärdensprachen und Gebärdensprache

@Canva

Gebärdensprache – was ist das?

Weltweit sind 70 Millionen Menschen gehörlos. Über 80.000 davon leben aktuell in Deutschland. Damit auch Gehörlose mit anderen Menschen kommunizieren können, hat sich in den letzten Jahrhunderten eine eigene visuelle Sprache entwickelt, bei der Worte mittels Händen, Gesichtsausdrücken, Geräuschen und Mundbewegungen geformt werden. Wie bei den gesprochenen Sprachen gibt es jedoch nicht die eine Gebärdensprache, weltweit existieren rund 200 verschiedene Gebärdensprachen sowie zahlreiche weitere lokale und regionale Dialekte.  

Als visuelle Sprachen werden Gebärdensprachen nicht gehört, sondern gesehen. Die einzelnen Worte (Gebärden) werden mit Gestik und Mimik gebildet und durch Mundbilder (Mundbewegungen) ergänzt. Als eigene Sprache folgen die Gebärdensprachen auch ihrer eigenen Grammatik, so gibt es zum Beispiel weder Artikel (der, die, das), noch die Höflichkeitsform „Sie“.  

Gebärdensprache ausführen: die Basics

Gebärdensprachen werden dreidimensional ausgeführt. Mit der sogenannten dominanten Hand (zum Beispiel bei Rechtshändern die rechte Hand) werden dabei Zeichen an bestimmten Positionen vor und am Körper gebildet. Die Mehrheit der Gebärden werden im sogenannten Gebärdenraum ausgeführt: vor der Brust und neben dem Gesicht. Die Position der Ausführung bestimmt dabei die Bedeutung eines Gebärdens. So haben manche Gebärden je nach „Ort“ der Ausführung eine andere Bedeutung. Darüber hinaus symbolisiert die Größe der Bewegung die Lautstärke des Gezeigten: Kleinere Bewegungen gelten als Flüstern, während ausholende Bewegungen Schreien andeuten sollen. Auch die Mimik und das Mundbild sind essenzielle Teile von Gebärdensprachen. Einige Gebärdenzeichen sind sogar nur durch das Mundbild und damit durch das tonlose Sprechen eines Wortes unterscheidbar. 

Nur ein Drittel der Gebärden sind bildhafte Darstellungen eines Wortes (zum Beispiel das Zeichen für „Baby“ zeigt das Wiegen eines Kindes in den Armen), alle weiteren ca. 20.000 Gebärden sind Zeichen mit eigener Bedeutung. So werden Personennamen auch nicht buchstabiert, sondern durch ein einzelnes Zeichen dargestellt. Jeder*r Sprecher*in erhält dabei eine individuelle Namensgebärde, die von anderen Personen, meist auf Grundlage eines persönlichen Merkmals, ausgewählt wird und ein Leben lang bestehen bleibt.  

Das Fingeralphabet

Fingeralphabet der deutschen Gebärdensprache

Das deutsche Fingeralphabet 

Sind Gebärden nicht bekannt, liegen Fremdwörter oder Eigennamen vor, können Wörter mit dem Fingeralphabet auch einzeln buchstabiert werden. Wie bei Gebärdenzeichen auch, gibt es kein internationales „Gebärdensprachen-Alphabet“, in jeder Sprache werden Buchstaben anders gebärdet.  

 

Tipps für Konversationen mit Gehörlosen

Viele Gehörlose sind gut im Lippenlesen und können sich auch mit Personen unterhalten, die selbst keine Gebärdensprache sprechen. Hier gibt es jedoch einiges zu beachten:  

  • Kontaktaufnahme: da Gehörlose Sie nicht kommen hören, sollten Sie sich vorher bemerkbar machen, winken Sie mit der Hand oder stampfen Sie auf den Boden 
  • Blickkontakt:  Bevor Sie zu sprechen anfangen, sollten Sie Blickkontakt herstellen 
  • Mundbild: Achten Sie darauf, dass ihr Mund nicht verdeckt und gut beleuchtet ist, bewegen Sie ihren Mund nicht unnatürlich – das erschwert das Lippenlesen 
  • Sprechen: Sprechen Sie eher langsam und in einer normalen Lautstärke – Schreien nützt nichts 😉 

Gebärdensprachen lernen mit kostenfreien Apps  

Leider gibt es noch kein richtiges Übersetzungstool zwischen Gebärden- und Lautsprache, wie zum Beispiel Google Translate. Einige Apps erleichtern dennoch die Konversation zwischen hörenden und gehörlosen Menschen und regen zum Lernen der deutschen Gebärdensprache an.  

 

  • Die Apps Gebärden Lernen, und DGS funktionieren wie ein Wörterbuch – einzelne Wörter können hier in Gebärden „übersetzt“ werden. 
  • Um als hörende Person Gebärdensprache zu lernen, eignet sich die App yoDGS. Sie ist ähnlich aufgebaut wie die bekannte Fremdsprachenlern-App Duolingo und regt mit Lektionen aus unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen zum täglichen Vokabeltraining an. 
  • Das spielerische Lernen von Gebärdensprache ist mit Miolelo möglich. Die App für Kinder arbeitet mit animierten Bildlandschaften und ermöglicht sowohl das Lernen der Gebärdensprachen sowie der Lautsprache. 

 

Fazit

Obwohl etwa 200.000 Menschen hierzulande die deutsche Gebärdensprache „sprechen“, fehlt es an vielen Stellen in der Gesellschaft noch an Verständnis dafür. Oft ist nicht bewusst, dass es sich bei der Gebärdensprache um eine eigene Sprache handelt, die sich je nach Land unterscheidet, komplexen eigenen grammatikalischen Regeln folgt und so wie jede andere Fremdsprache auch, erstmal erlernt werden muss. Trotz der vielen Hürden im Alltag sehen sich Gehörlose selbst nicht als behindert an. Sie „sprechen“ bloß eine andere (Mutter-)Sprache, die es ihnen dennoch erlaubt mit allen anderen Menschen in Kontakt treten können.  

 


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