Digitale Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
Als Informations- und Kommunikationsräume sind das Internet – und allen voran Soziale Medien – wichtige Interaktionsmöglichkeiten. Doch auch hier findet Diskriminierung verschiedenster Art statt. So erfahren Menschen mit Behinderung tagtäglich Diskriminierung im Netz, sei es durch technische Barrieren oder persönliche Herabwürdigungen.
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Diskriminierung von Menschen mit Behinderung im Netz
Der digitale Raum bietet leider ein großes Spektrum an Diskriminierung und Ausgrenzung gegenüber Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen. Und das sowohl auf technischer als auch auf inhaltlicher Ebene. Dabei wird geschätzt, dass fast eine Milliarde Menschen auf der ganzen Welt (also 15 %) mit irgendeiner Form von Behinderung leben (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Barrierefreiheit ist leider dennoch immer noch kein vorrangiges Thema.
Was kann also aktiv getan werden, um das Internet und insbesondere Soziale Medien zu einem inklusiven, antidiskriminierenden und barrierefreien Raum zu machen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst tiefer in die verschiedenen Arten von Diskriminierungen eintauchen.
Technische Diskriminierung
Im Internet erleben Menschen mit Behinderung unzählige Barrieren und Erschwernisse. Viele Webseiten und Plattformen sind von Grund auf nicht barrierefrei gestaltet. Das erschwert das Surfen und Zurechtkommen im digitalen Raum enorm. Wenn beispielsweise in Online-Videos die Untertitel fehlen, können gehörlose Menschen den Inhalt nicht verstehen. Fehlt auf einer Website oder einem Post die Bildbeschreibung, werden blinde und sehbehinderte Personen ausgeschlossen. Können Webseiten oder Soziale Netzwerke nicht mit Sprachsteuerung bedient werden, stoßen motorisch-eingeschränkte Personen auf Hürden.
Als Beispiel wie schwierig es ist, als behinderter Mensch auf Social Media aktiv zu sein, gibt der bekannte blinde TikToker Mr. BlindLife (Erdin Çiplak) Einblicke in seinen Alltag und bringt auf humorvolle Weise auf den Punkt, welche Hürden er tagtäglich nehmen muss:
So beschreibt er, wie mühsam es für ihn ist, sich in verschiedenen Apps zurechtzufinden und wie schlecht die Bedienung für blinde Menschen angelegt ist. Hasskommentare unter eigenen Posts zu löschen, wird zur Mammut-Aufgabe. Storys zu verstehen, gelingt nur, wenn Ton oder Text hinzugefügt wurde. (hateaid.org) Diese Beispiele zeigen deutlich, wie eine digitale Teilhabe aus technischer Sicht für viele Menschen mit Behinderung nicht ohne weiteres möglich ist.
⇒ Wie Sie Leichte und Einfache Sprache im Netz verwenden können, erfahren Sie in diesem Blogartikel.
⇒ Und wie barrierearmes Posten gelingt, können Sie hier nachlesen.
Inhaltliche Diskriminierung
Werden Menschen wegen körperlicher oder kognitiver Behinderung, oder chronisch kranke Personen ungleich oder abwertend behandelt, wird das auch Ableismus genannt. Neben abwertenden Verhaltensweisen ist vielen Menschen nicht bewusst, dass sie eine ableistische Sprache benutzen. Denn viele Formulierungen, die wir alltäglich gebrauchen, sind diskriminierend.
„Bist du taub?“, „Hörst du schlecht?“ oder „Bist du blind?“ sind indirekte und manchmal witzig gemeinte Fragen, ob sich eine Person gerade ignorant, desinteressiert oder unfreundlich verhält. Es hat jedoch nichts damit zu tun, dass diese Person wirklich schlecht hört oder sieht und ist demnach diskriminierend gegenüber Menschen, die es tatsächlich betrifft. Auch Begriffe, die jemanden aufgrund von Intelligenz abwerten sollen, wie zum Beispiel „doof“, „Idiot“, „Trottel“, „Psycho“, „Spinner“ sind Beispiele für ableistische Sprache. Dass Behinderungen mit Ignoranz gleichsetzt oder als Beleidigungen verwenden werden, zeigt, wie Großteile der Gesellschaft über Menschen mit Behinderung denken. Durch diese Reproduktion besteht die Gefahr, dass negative Vorurteile verinnerlicht und gefestigt werden. (media-bubble.de)
Durch die Möglichkeit, anonym zu bleiben, ist das Internet, vor allem auf Social Media, besonders attraktiv für die Verbreitung von diskriminierender Sprache. Die Hemmschwelle unbedachte oder herabwürdigende Kommentare zu posten oder zu liken, ist leichter, als wenn man jemandem so etwas persönlich ins Gesicht sagen müsste. Es ist also nicht verwunderlich, dass ableistische Sprache vor allem im digitalen Raum auftaucht.
Auf Social Media gibt es mittlerweile immer mehr Aktivist:innen und Influencer:innen, die sich für das Thema Inklusion im Netz stark machen. Sie möchten Menschen mit Behinderungen sichtbar machen, indem sie öffentlich aus ihrem Alltag berichten, aufklären und ihre Stimmen erheben. Menschen mit Behinderung stehen den digitalen Diskriminierungen nicht machtlos gegenüber: Das Internet bietet ebenso neue Chancen für eine offene, diskriminierungsfreie Kommunikation über eigene Erfahrungen und Lebensentwürfe. In den Sozialen Medien haben alle Menschen die Möglichkeit, Diskurse über Inklusion und Ausgrenzung mitzugestalten, Stereotype nachhaltig zu verändern und öffentliche Sichtbarkeit zu erlangen. (rehacare.de)
Diskriminierung durch Hassrede (Hate Speech)
Für die bis zum Äußersten gesteigerte Beleidigung, Beschimpfung, Verurteilung, Drohung und Herabsetzung von Personen oder Menschengruppen im Rahmen einer Social-Media-Kommunikation, hat sich der Begriff „Hassrede“ (Hatespeech) etabliert. Es kommt zu aggressiven Posts, hasserfüllten verbalen Angriffen und/oder grenzüberschreitenden Ausdrucksweisen. Ebenso kann Hassrede degradierende Stereotypisierungen und Falschinformationen sowie Drohungen enthalten, um Angst zu schüren oder das Gegenüber mundtot zu machen.
Diskriminierung steht oft im Zusammenhang mit Hassrede. Oft sind es Menschen mit Behinderung, die sich Feindseligkeiten im Internet stellen müssen. Aufgrund der heftigen sprachlichen und kommunikativen Gewalt, die durch Hassrede ausgeübt wird, können die Folgen für Angegriffene weit über ein Gefühl von Diskriminierung hinausgehen. Teilweise werden bei Betroffenen erhebliche Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit beobachtet. Unserer Gesellschaft sollte die wachsende Kultur der Hassrede im Netz nicht gleichgültig sein. Denn sie kann schlimmstenfalls zum Nährboden für eine Kultur der gesellschaftlichen Intoleranz werden und sich in Form von Gewalt im realen Leben widerspiegeln.
⇒ Mehr Infos zum Thema Hate Speech auch in unserem Medienkompass-Artikel.
Fazit
Die digitale Welt und allen voran Soziale Medien haben es ermöglicht, Diskriminierung anonym und weltweit zu verbreiten. Insbesondere für Menschen mit Behinderung gibt es viele Barrieren, die eine digitale Teilhabe nicht immer leicht machen – sowohl auf technischer als auch auf inhaltlicher Ebene. Es wird daher zunehmend gefordert, mehr Maßnahmen zu ergreifen, um eine inklusive Online-Umgebung für alle zu schaffen. Es lassen sich heute tatsächlich schon eine ganze Reihe von Ideen und Möglichkeiten finden. Gemeinsam ist allen das Plädoyer für Toleranz und einer Atmosphäre von Respekt und Akzeptanz in der digitalen Welt. Toleranz bedeutet, allen Menschen Zugang in die digitale Welt zu ermöglichen und sich dabei in einer sachlichen und respektvollen Weise zu begegnen.
Quellen
www.aktion-mensch.de
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
bundesfachstelle-barrierefreiheit.de
hateaid.org
houseofyas.demedia-bubble.de
jugendundmedien.ch
netzcourage.ch
no-hate-speech.de
rehacare.de
sozialhelden.de
stophatespeech.ch
swr.de
untertitelrichtlinien.de