Cybermobbing: Begriffserklärung & Auswirkungen
Aktuell ist jedes sechste Kind in Deutschland von Cybermobbing betroffen. Was digital beginnt, hat oft verheerende Auswirkungen auf das echte Leben der Betroffenen. Eine neue Studie offenbart erschreckendes über die Gefahren, die durch Internetnutzung für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene entstehen können. Wir erklären alle wichtigen Begriffe und neuen Befunde.
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Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es unter anderem um sexuelle Gewalt.
Zunahme der Belästigungen im Netz
Die durch das Internet entstandenen Interaktionsmöglichkeiten bringen viele spannende Neuerungen mit sich, bergen aber auch große Gefahren. Gerade in sozialen Medien sind private Informationen der Nutzer:innen oft öffentlich zugänglich. Die vermeintliche Anonymität im Internet sorgt dafür, dass Phänomene wie Cybermobbing und Cybergrooming an Zuwachs gewinnen. Der Verein Bündnis gegen Cybermobbing e. V., bestehend aus Eltern, Pädagog:innen und Forscher:innen, setzt sich seit 2011 gegen Cybermobbing ein und befragt regelmäßig Jugendliche, Kinder und Erwachsene zum Themengebiet. Die jüngst veröffentlichte Studie deckt erschreckendes auf.
2022 sind etwa 17 Prozent aller Schüler:innen – und damit 1,8 Millionen Jugendliche – Opfer von Lügen, Nachstellungen oder Beleidigungen im Internet sowie den sozialen Netzwerken. Ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur letzten Erhebung aus dem Jahr 2017. Vor der Coronapandemie lag die Anzahl der Betroffenen in der Altersgruppe noch bei unter 13 Prozent.
Besonders betroffen sind laut Studie Kinder und Jugendliche ab dem Eintritt in die Pubertät, also im Alter von ca. 13 Jahren. Gerade deshalb ist es besonders wichtig nicht nur über Cybermobbing und dessen Auswirkungen aufzuklären, sondern auch aktiv und vor allem präventiv dagegen vorzugehen. Ein erster Schritt ist die Klärung der wichtigsten Begriffe.
Cybermobbing
Cybermobbing leitet sich – wie Mobbing – vom englischen Verb „to mob“ (anpöbeln, bedrängen, über jemanden herfallen) ab. Seltener wird auch der Begriff Cyberbullying (engl.: to bully“: schikanieren, drangsalieren) genutzt.
Cybermobbing meint das absichtliche Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen über einen längeren Zeitraum. Cybermobbing findet im Internet, vor allem aber auf jeglichen Social-Media-Plattformen, statt. Im Gegensatz zur analogen Form kennen sich Opfer und Täter:in nicht zwangsläufig persönlich. Während Täter:innen so massiv in die Privatsphäre der Opfer eindringen und diese wiederholt verletzten, bleibt ihre eigene Anonymität gleichzeitig gewährt. Häufig handelt es sich bei den Täter:innen jedoch auch um Personen aus dem eigenen Umfeld der Opfer, wie etwa aus der Schule, dem Dorf oder dem Wohnviertel.
Cyberstalking
Cyberstalking bezeichnet die fortwährende Verfolgung, Überwachung oder das Nachstellen einer Person mit digitalen Hilfsmitteln. Auch die Belästigung Minderjähriger – zum Beispiel in sexueller Hinsicht – kann zu Cyberstalking gehören, wenn eine wiederholte sexuelle Belästigung oder Bedrohung stattfindet.
Unterschied Cybermobbing und Cyberstalking: Das beharrliche Nachstellen zeichnet Cyberstalking aus. Die Taten von Cybermobbing und Cyberstalking können allerdings ähnlich oder sogar gleich sein.
Cybergrooming
Cybergrooming ist das gezielte Ansprechen von Kindern im Internet zur Anbahnung von Missbrauchshandlungen online oder offline. Dabei bauen Täter: innen Vertrauen zu ihren überwiegend minderjährigen Opfern auf, indem sie an die Interessen und Bedürfnisse der Opfer anknüpfen. Häufig thematisieren sie dabei auch typische Probleme der Kindheit und Pubertät. Ziel der Täter: innen ist es, die Opfer zu sexuellen Handlungen vor der Kamera zu überreden und oft sogar einen sexuellen Missbrauch in der Realität vorzubereiten.
Cybergrooming hat im Vergleich zum Jahr 2021 zugenommen. Das geht aus der zweiten repräsentativen Befragung der Landesanstalt für Medien NRW hervor. Im neuen klicksafe Expert:innen-Talk beantwortet Cyberkriminologe Prof. Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger die wichtigsten Fragen aus juristisch-kriminologischer Perspektive:
Aktuelle Entwicklungen
Der Anstieg jeglicher Formen des Nachstellens und Beleidigens im Internet ist vor allem der Coronapandemie geschuldet. Während des Rückgangs der pädagogischen Betreuungszeit verzeichnete sich im Lockdown eine parallele Zunahme des Internetkonsums sowie der Handynutzung bei Jugendlichen. Auch nach dem Ende der Pandemie bleibt das Smartphone in allen Lebensphasen der Jugendlichen präsent und begeistert regelmäßig mit neuen Apps und Trends.
Ebenso hilfreich wie gefährlich wird das Smartphone mit seinen unendlichen Möglichkeiten beim Thema Mobbing. Cybermobbing beweist sich in vielen Fällen als gefährlicher und schwerwiegender als das herkömmliche, analoge Mobbing. Opfer können sich dem dauerpräsenten Internet räumlich nicht entziehen und erfahren im Gegensatz zur analogen Variante ein viel größeres Publikum und Masse an Mitläufern.
Darüber hinaus gewährt das Internet den Täter:innen nicht nur Anonymität und verschleiert die konkrete Anzahl der Mobber:innen, sondern liefert auch viele Werkzeuge, die es den Täter:innen vereinfacht in die Privatsphäre ihrer Opfer einzudringen. Happy-Slapping beispielsweise versteht die Veröffentlichung entwürdigender Fotos und Videos von Opfern. Das umfasst nicht nur Bildmaterial intimer Situationen, sondern auch gefälschter Content, den Täter:innen immer häufiger von ihren Opfern anfertigen und in den sozialen Netzwerken veröffentlichen. In den gefälschten oder überarbeiteten Bildern verunstalten die Mobber:innen ihre Opfer oder erzeugen Deepfakes, in dem sie ihre Opfer in entwürdigende oder peinliche Situationen photoshoppen.
Die Impersonation gehört zu den extremsten Ausprägungen des Cybermobbings, Mobber:innen begehen hier einen Identitätsdiebstahl, geben sich selbst als die Opferperson aus und veröffentlichen intime und entstellende Inhalte in dessen Namen.
Eine Prävention und umfassende Aufklärung über Cybermobbing an Schulen finden nach den Ergebnissen der Studie zufolge zu wenig statt. Nur 48 Prozent der befragten Schüler:innen gaben an, dass Schulen über die Folgen von Cybermobbing informieren und den richtigen Umgang mit digitalen Anfeindungen vermitteln. Im Vergleich zu vergangenen Studien zeigt sich hier eine drastische Abnahme von Präventionsmaßnahmen in Schulen, die auch auf die veränderten Lehrumstände im Homeschooling zurückzuführen sind. Allen voran in Haupt- und Berufsschulen mangelt es an pädagogischer Auseinandersetzung mit dem Thema. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Schüler:innen beider Schulen deutlich häufiger Opfer von Cybermobbing werden als jene auf Gymnasien.
Das Internet – (k)ein rechtsfreier Raum?
Margot Käßmann spricht in Ihrem Podcast „Was mich bewegt“ in einer Folge vom 12. Oktober 2022 über das Thema Cybermobbing. Hören Sie gerne rein!
Auswirkungen von Cybermobbing
Natürlich sind die Auswirkungen von Cybermobbing sehr individuell, etwa 30 Prozent der Betroffenen äußern jedoch langanhaltende Belastungen, vor allem psychische. Neben Verängstigung und soziale Isolation fallen hierunter auch Suizide. 24 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen äußern demnach Suizidgedanken. Weitere 15 Prozent fallen aufgrund der Auswirkungen des Cybermobbings in den Konsum von Drogen, Alkohol und Tabletten.
Aufgrund der verheerenden Konsequenzen sowie des vehementen Anstiegs ist die Prävention von Cybermobbing, vor allem im schulischen Kontext, essenziell. Wenn Sie selbst Opfer von Cybermobbing sind oder in Kontakt mit Opfern stehen, können folgende Tipps weiterhelfen.
Hilfsangebote von Beratungsstellen:
Bei der Onlineberatung von www.juuuport.de helfen Jugendliche anderen Jugendlichen rund um die Themen Cybermobbing, Abzocke im Netz und Technik.
Schnelle Hilfe und Unterstützung gibt es kostenfrei und anonym über das Kinder- und Jugendtelefon. Die Nummer gegen Kummer berät Kinder und Jugendliche über Telefon, E-Mail und Chatfunktion. Telefon: 11 6 111 (Mo – Sa: 14–20 Uhr)
Innocence in Danger ist eine weltweite Bewegung gegen sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, insbesondere gegen die Verbreitung von Kinderpornografie durch die digitalen Medien. https://www.innocenceindanger.de/sexting/
Online-Kurs zum Thema Cybermobbing:
Wir haben in unserem Seminarangebot einen Online-Selbstlernkurs zum Thema „Cybermobbing – Verstehen. Handeln. Vorbeugen.“
Der Kurs behandelt die Merkmale und die Rollen des Mobbingsystems, sowie die Gesetzeslage und gibt Anregungen zu präventiven Maßnahmen von Cybermobbing.
Zur Lerneinheit erhalten Sie außerdem beispielhafte Entwürfe für die pädagogische Arbeit mit Kindern & Jugendlichen, die Sie für Ihre Zwecke nutzen oder kommentieren und ergänzen können.
Dem Kurs kann jederzeit beigetreten werden und Sie können die Lerneinheit in individuellem Tempo und mehrmals durcharbeiten.
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